Samstag, 1. September 2007

Der Abend war gerettet. Der nächste Morgen war verloren.

„In einer halben Stunde am Placa Espana“ sagt eine weiblich Stimme mit niederländischem Akzent. Neun Quadratmeter, vielleicht auch weniger. Hier soll ich die nächsten Monate wohnen?! Das Zimmer ist sauklein, dunkel, immerhin hat es ein Fenster und kostet läppische 385 Euro pro Monat. Ich weiß nicht ob ich lachen oder weinen soll, als ich von meiner Vermieterin Martine höre, dass ich 720 Euro Kaution für diese Schrottbude abdrücken soll. Meine Vermieterin will den Knies auch noch in bar. Zumindest bekomme ich eine Quittung. In Barcelona leben so einige davon, Studenten auszunehmen. Sie mieten eine Wohnung und vermieten diese Zimmer für Zimmer weiter. Es gibt kaum eine Möglichkeit dieses System zu umgehen.
Immerhin war es die kürzeste Wohnungssuche meines Lebens! Meine neuen Mitbewohner sind zwei Holländer, zwei Landsfrauen der beiden und zwei Schwedinnen. Ziemlich lustige Leute. Nemmis und Maria, die beiden Schwedinnen, besser Afroschwedinnen, arbeiten in Barcelona, u.a. bei eben einer dieser Wohnungsvermietungsfirmen. Die beiden teilen sich Zimmer sowie Bett um Geld zusparen. Genauso wie Sylvia und Lotte, die Holländerinnen. Lotte ist eine esoterisch angehauchte Sozialarbeiterin, die jedem ihre sehr spezielle Sicht der Dinge mitteilen muss und nicht müde wird, zu betonen wie einfach es ist vegetarisch zu kochen. Daraufhin fangen Nemmis und Maria an zu lachen, schauen mich an und fragen: „Du isst Fleisch, oder?“ Fleißig bejahe ich und bin mir nicht ganz sicher wie die Frage gemeint ist. Lotte macht zusammen mit Sylvia einen Sprachkurs und erzählt mir jeden Tag, dass sie nichts lernen konnte, da sie zu müde gewesen sei. Hmm, vielleicht ein bisschen weniger saufen und kiffen? Den Rest des Tages ist sie jedoch putzmunter. Auf einer Joggingtour zum Castell, einer beeindruckenden Festung auf dem Berg Montjuic mit grandiosem Ausblick, erzählte Sie mir, dass Sie auf einer Waldorfschule war und es toll findet die Bedeutung der Sterne im Schulunterricht zu behandeln. Ich verlieh mit einem Hinweis auf Steiners zweifelhafte Rassenlehre meiner Skepsis Ausdruck. Ihr könnt euch vorstellen was dann los war.☺ Das ganze Leben auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten und Horoskope in der Schule lesen ist toll, weiß ich nun. Ihre Zimmergenossin ist deutlich zurückhaltender. Sylvia ist wie Lotte für 11 Monate in Katalonien. Jungs die sie küssen bekommen das große L auf die Stirn und sind nachher in Erklärungsnot. Ich habe einen kennen gelernt dem es so ergangen ist.
Ralf fliegt in einigen Tagen zurück nach Holland. Er war die letzten 11 Monate in den Staaten und Spanien unterwegs. Ein lustiger Kerl, der in Beavis & Buthead-Manier prahlt wie viele Frauen er schon gehabt hat. Jeden Abend in seiner letzten Woche gab er Vollgas an der Theke. Darunter leidet mitunter seine Arbeitsmoral. Rick hingegen ist ein ruhiger Typ, der mit seiner Suzuki von Holland nach Barcelona gefahren ist. Es hat geschlagene drei Tage benötigt. Dafür hat er nun ein schickes Moped vor der Tür. Für ein halbes Jahr ist Rick an der Universidad Barcelona immatrikuliert.
In der Zwischenzeit bin ich in mein neues Heim eingezogen. Alle Sachen passen in den kleinen Schrank. Glück gehabt. Es sind sogar Bügel für Hemden anwesend. Es ist Freitag und heute soll gerockt werden. Mit Axel und zwei weiteren Kollegen traf ich mich - wo? - klar, an der Sagrada Familia. Die Jungs hatten einen Tisch im „la canela“ reserviert, einem ziemlich guten und verflucht günstigem Restaurant mit Designerinterieur. Ziemlich gut angetrunken sind wir um die Häuser gezogen auf der Suche nach einem guten Club. Einige waren zu leer, andere zu teuer. Wieder andere leer und teuer. Knapp zwei Stunden später saßen wir mittlerweile nur noch zu dritt in einem schwarz-gelben Taxi. Ich wusste nicht so recht ob es mir gefällt, wo der Fahrer uns nun hinbringt. Wir passieren eine breite Straße in einem Gewerbegebiet auf dem Gehweg stehen die Bordsteinschwalben Schlange. Alles ein wenig seltsam. Wir lassen die leichten Mädchen hinter uns und halten an einem Club mit zwei Kirschen als Logo. Der nächste Schock rückte näher. An der Kasse erfahre ich, dass der Eintritt 20 Euro kostet. Gerne kann der auch mit Kreditkarte beglichen werden, sagt die hübsche Frau am Eingang. Zahlen muss ich wohl, suggerieren die Muskelprotze in schwarzen Anzügen.
Die Tür zum Pacha geht auf und der hohe Eintrittspreis war sofort vergessen. La Troya empfängt ihre Gäste im „world famous Barcelona“. Die Musik ist laut, die Stimmung dem Siedepunkt nahe. Feinste elektronische Musik zwingt das Publikum zum Tanz. Auf Stelzen durch die Meute schreitend, la Troya, eine Dragqueen mit rotem Gewand und Haar. Ziemlich gruselig, aber die Performance passt. Flankiert wird die Gastgeberin von Tänzern und einem sehr guten DJ. Der Abend war gerettet. Der nächste Morgen war verloren.

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